Gerade Selbstständige und Freiberufler tragen ein hohes unternehmerisches Risiko. Wenn das eigene Unternehmen scheitert, bedeutet das einen großen Einschnitt und unter Umständen ein finanzielles Problem. Auf der anderen Seite hat die Selbstständigkeit aber auch viele Vorteile, die nicht vernachlässigt werden dürfen. Einige Gedanken zur Existenzangst bei Selbstständigen sowie Hilfsansätze findest du im folgenden Artikel.
Selbstständigkeit – Risiko oder Chance?
Als ein enger Freund von mir sich vor vielen Jahren entschied, ein eigenes Unternehmen zu gründen, ging er auf Nummer sicher: Er behielt seinen Angestellten-Job und arbeitete parallel dazu an seiner eigenen Firma. Das Risiko, ohne festes Einkommen einen Schritt zu mehr Unabhängigkeit zu wagen, schien ihm zu groß. Also entschied er sich für den Mittelweg und vermied so die klassische Existenzangst bei Selbstständigen.
Existenzangst bei Selbstständigen – ein Massenphänomen?

In der Tat kann man sagen, dass Existenzangst bei Selbstständigen eine regelmäßig auftretende Erscheinung ist. Die Angst vor Auftragsflauten ist auch nicht völlig unbegründet, denn natürlich bedeuten weniger Aufträge auch weniger Einkommen. Gerade zu Beginn einer Selbstständigkeit, in der meist noch keine Rücklagen gebildet werden konnten, ist das tatsächlich ein Grund zur Existenzangst.
Aber auch Selbstständige, die schon länger dabei sind und immer eben soviel Umsatz machen, als dass es gerade so reicht, um über die Runden zu kommen, geraten schnell in den Strudel der Existenzangst. Das ist im Grunde die noch belastendere Situation, denn die Angst zieht sich über lange Zeiträume und gehört irgendwann zum Alltag.
Existenzangst vermeiden und lieber gar nicht selbstständig arbeiten?
Nun könnte man hergehen und sagen, dass man vor diesem Hintergrund eine Selbstständigkeit am besten vermeidet. Zu hoch das Risiko, zu gering die Chance, einen Geschäftszweig zu erwischen, der genug Geld abwirft.
So pauschal lässt sich das jedoch nicht sagen. Natürlich hat der Angestellte den großen Vorteil, monatlich ein festes und planbares Einkommen zu haben. Auf der anderen Seite sind aber mittlerweile auch immer mehr Angestellte befristet beschäftigt. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt lässt nicht mehr zu, dass wir ein Leben lang an ein und demselben Arbeitsplatz bleiben. Das Risiko, letztlich ohne eigenes Einkommen auf Sozialleistungen angewiesen zu sein, besteht auch hier.
Angestellt sein ist nicht zwingend von Vorteil
Daneben darfst du nicht vergessen, dass du als Angestellter viel unfreier in der Gestaltung deiner Arbeit bist. Du hast feste Zeiten, zu denen du auf Arbeit erscheinen musst, dein Aufgabenfeld legt dein Vorgesetzter fest und auch dein Einkommen bewegt sich auf einem durchschnittlichen Niveau. Dabei ist es egal, wie viel Energie du investierst.
Als Selbstständiger hingegen bestimmst du selbst, wie du dir deine Arbeit einteilst. Wann du beginnst, wann du Feierabend machst und welche Jobs du annimmst, ist ebenfalls dir überlassen. Außerdem bist du flexibel in der Ausrichtung deines Jobs. Wenn du im Laufe der Jahre Erfahrungen in einem neuen Zweig deines Berufs gesammelt hast, kannst du deine Leistungen anpassen. Als Angestellter ist das nicht so einfach umsetzbar.
Berechtigte Existenzangst bei Selbstständigen und was du dagegen tun kannst
Es gibt natürlich einiges in der Selbstständigkeit, was eine Existenzangst durchaus rechtfertigen kann. So kann es beispielsweise immer sein, dass du krank wirst und längere Zeit ausfällst. Als Angestellter bekommst du dann sechs Wochen lang weiterhin dein Gehalt bezahlt und erhältst im Anschluss Krankengeld von deiner Krankenversicherung.
Krankheitsfall absichern
Als Selbstständiger hast du zunächst keinen Anspruch auf Krankengeld. Allerdings gibt es die Möglichkeit, bei deiner Krankenversicherung Zusatztarife abzuschließen. Diese gewährleisten dann ab einer gewissen Krankheitsdauer ebenfalls, dass du Krankengeld erhältst. Für die Dauer bis zum Erhalt des Krankengeldes empfiehlt es sich, zumindest eine gewisse Rücklage zu bilden. So weißt du, dass du eine solche Zeit finanziell überbrücken könntest. Das lässt dich nachts ruhiger schlafen und minimiert das Risiko, in finanzielle Schieflage zu geraten.
Existenzangst bei Selbstständigen durch Rücklagen vermeiden
Es gibt Phasen, in denen dein Unternehmen sich vor Aufträgen kaum retten kann und Phasen, in denen das genaue Gegenteil der Fall ist. Versuche, diese Phasen möglichst gut abzusichern, indem du dir ein finanzielles Polster anlegst. Rechne dir aus, wie viel Geld du im Monat mindestens brauchst, um deinen Lebensunterhalt zu decken und versuche dann, diese Summe für drei Monate zurückzulegen. Du wirst sehen, dass du der nächsten Auftragsflaute etwas gelassener entgegensehen wirst und deine Existenzangst erstmal Pause machen kann.
Existenzangst im Alter vorbeugen
Der dritte, sehr wichtige, Punkt, der zu Existenzangst führen kann, ist die Altersarmut, die viele Selbstständige bedroht. Als Selbstständiger zahlst du nicht zwingend in die gesetzliche Rentenkasse ein, so dass du dir Zeit nehmen solltest, dich mit der Planung deiner Rente zu beschäftigen. Der erste Anlaufpunkt ist hier sicherlich die Deutsche Rentenversicherung. Hier kannst du dir einen Beratungstermin in deiner Nähe buchen und mit Fachleuten, die dir nichts verkaufen wollen, planen, welcher der für dich passende Weg ist.
Weitere Tipps, um Existenzangst bei Selbstständigen zu vermeiden

Die oben aufgelisteten Hinweise sind natürlich nur ein Bruchteil dessen, was dich beschäftigen kann, sobald du selbstständig arbeitest. Es würde zu weit führen, alle Eventualitäten aufzunehmen. Wichtig ist auch, sich mit dem Prinzip und der Funktion der Existenzangst an sich vertraut zu machen, um die Mechanismen besser durchschauen zu können.
Sobald du verstanden hast, wie Angst funktioniert und dass sie letztlich nicht mehr als eine biologisch angelegte Funktion unseres Körpers ist, kannst du besser mit ihr umgehen und sie gezielter vermeiden. Es gibt zahllose Techniken, sowohl akute als auch latente Angst zu bekämpfen. Hier sind nur einige Möglichkeiten:
- Lenke dich ab mit Dingen, die dir Spaß machen
- Lege bestimmte Zeitfenster fest, in denen du dir erlaubst, dich mit deiner Existenzangst zu beschäftigen – während der anderen Zeiten sind gedankliche Auseinandersetzungen mit deiner Existenzangst tabu
- Mache dir bewusst, dass du nicht auf der Straße landen wirst – es gibt ein Sozialsystem, das dich im Fall der Fälle auffängt
- Schreibe deine Ängste so detailliert wie möglich auf – oft befreit das schon
- Sprich über deine Existenzangst! Ängste sind leichter zu ertragen, wenn du jemanden hast, mit dem du darüber sprechen kannst
- Versuche, Lösungen für deine Ängste zu finden, anstatt immer darüber zu grübeln, was alles passieren könnte – so wirst du aktiv und fühlst dich der Situation nicht mehr so ausgeliefert
Weitere Ideen zur Selbsthilfe findest du in meinem Artikel Existenzangst besiegen in fünf einfachen Schritten.
Und wenn das nicht hilft?

Neben diesen allgemeinen Tipps gibt es natürlich noch viele Möglichkeiten, die Existenzangst bei Selbstständigen zu beherrschen. Nicht jede Variante passt zwingend auch für dich, denn so individuell wie die Angst ist, ist auch ihr Gegenmittel. Deshalb kann es durchaus sein, dass Hilfe von außen notwendig ist. Manchmal reicht es schon, einen kleinen Perspektivwechsel vorzunehmen, um wieder Herr über die eigenen Gedanken zu werden. Ich helfe dir gern dabei – wenn du magst, vereinbare einen Termin über mein Kontaktformular.
Chance oder Risiko – was überwiegt nun?
Auch hier kann die Antwort nur individuell gegeben werden. Meiner persönlichen Erfahrung nach überwiegt die Chance bei einer Selbstständigkeit – vor allem dann, wenn die Idee gut ist und alles gut geplant wird. Der Freund aus meinem Beispiel ist eine ganze Weile zweigleisig gefahren und hat mittlerweile ein gut laufendes Geschäft. Dennoch war die Entscheidung, das Angestelltenverhältnis aufzugeben, keine einfache für ihn. Er hat sich regelrecht gequält, bis er endlich soweit war, diesen Schritt zu wagen. Aber es hat sich gelohnt und die Existenzangst war an der ganzen Sache das Überflüssigste, denn die hatte nur einen Effekt: Sie hat Energie geraubt.