Jeder von uns, der Existenzangst bereits am eigenen Leib gespürt hat, wird sich schon die Frage gestellt haben, wie man sie besiegen kann. Im folgenden Artikel möchte ich näher auf eine meiner Methoden eingehen und dir so die Möglichkeit zur Selbsthilfe geben.
Die Existenzangst zu besiegen ist gar nicht so aussichtslos, wie es scheint
Existenzangst ist – wie jede Angst – ein Gefühl, das dich komplett beherrschen kann. Hat sie das Zepter einmal übernommen, scheint es schwer, es ihr wieder zu entreißen. Und selbst wenn es ihr kurz entrissen wurde, wirkt es doch nur wie ein Etappensieg, denn kurze Zeit später hat sie dich wieder fest in ihrem Würgegriff. Es scheint dir nahezu aussichtlos, deine Existenzangst jemals zu besiegen.
In meiner beruflichen Praxis begegne ich häufig Menschen, die um Hilfe dabei bitten, das Zepter wieder selbst in die Hand nehmen zu können. Aus meiner Erfahrung der letzten Jahre habe ich fünf einfache Schritte entwickelt. Sie können dir helfen, die Kontrolle über die Existenzangst wieder zurückzuerlangen.
Existenzangst kurz erklärt
Viele Menschen kennen solche Phasen in ihrem Leben: Du wälzt dich nachts hin und her anstatt zu schlafen und grübelst dabei, was das Zeug hält. Morgens und tagsüber sieht es nicht besser aus. Neben der Müdigkeit quälen dich Gedanken, die ständig nur um das eine Thema kreisen: Wie komme ich in den nächsten Wochen oder Monaten über die Runden? Befindest du dich gerade in einer solchen Phase? Wenn ja, dann herzlich Willkommen in der Existenzangst. In den nächsten Abschnitten helfe ich dir dabei, die Angst ein wenig einzunorden.
Schritt eins: Bevor du die Existenzangst besiegen kannst, musst du sie verstehen und kennenlernen

Um deine Existenzangst effektiv bekämpfen und letztlich besiegen zu können, ist es wichtig, sie genau kennenzulernen. Schau hin, spüre hin und das möglichst von allen Seiten. Was genau löst die Angst aus? In welchen Situationen erwischt sie dich besonders schlimm? Wie fühlt sich dein Körper während der Angst an – reagiert er mit Anspannung, Übelkeit, Kopfschmerzen, usw.? Welche Gefühle gesellen sich zusätzlich zu deiner Existenzangst hinzu – Scham, Wut, Resignation?
Am besten nimmst du dir eine ruhige Minute und schreibst alles zu deiner Existenzangst auf, das dir wichtig erscheint – wie eine Art Steckbrief.
Wofür ist das wichtig?
All das ist wichtig, um die Angst besser kennenzulernen, denn je besser du deinen Feind kennst, desto gezielter kannst du seine Schwächen später ausnutzen. Der zweite positive Effekt dieser Übung ist, dass die Existenzangst ihren Schrecken ein Stück weit verliert. Wenn du dich selbst beobachtest, wirst du feststellen, dass du mittlerweile innerlich regelrecht zusammenzuckst, sobald die Angst auch nur von weitem winkt. Je intensiver du dich aber mit allen Facetten deiner Existenzangst beschäftigst, desto weniger bedrohlich wirkt sie.
Schritt zwei: Visualisiere deine Existenzangst, denn hier zählen nicht nur die inneren Werte

Nachdem du nun den Steckbrief der Angst vor dir liegen hast, fehlt nur noch eines zum vollständigen Bild der Angst: ihre äußere Erscheinung. Wie sieht deine Existenzangst aus? Ist sie ein Mensch, ein Tier, ein Monster oder etwas ganz anderes? Dick, dünn, groß, klein, schön, hässlich – all das ist wichtig. Versuche, dir ein möglichst genaues Bild zu machen. Deiner Kreativität sind hier keine Grenzen gesetzt. Wenn du Lust hast, greife doch gleich zu Stift und Papier und zeichne die Angst.
Wofür ist das wichtig?
Visualisierungstechniken sind nachweislich ein probates Mittel im Kampf gegen Ängste. Denn hast du die Angst einmal visualisiert, kannst du ebenso visualisieren, wie du sie, jedes Mal, wenn sie um die Ecke schleicht, direkt wieder aus deinem Kopf herauskomplimentierst. Du besiegst deine Existenzangst quasi im Geist und zwar immer wieder. Das hat einen positiven Effekt auf deine innere Haltung. Zusätzlich lässt das nach und nach ein verändertes, inneres Bild von der Angst entstehen. Nämlich das eines schwächlichen Wesens, vor dem du alles haben kannst, aber keine Angst.
Schritt drei: Vor- und Nachteile der Existenzangst herausarbeiten

Du kennst sie sicher noch aus anderen Bereichen: Die Pro- und Contra-Liste. Um die Existenzangst besiegen zu können, ist es wichtig, sich bewusst zu machen, welche Vor- und Nachteile die Angst in deinem Fall hat. Am besten gelingt das mit einer Liste. Hier findest du eine Vorlage, die ich selbst manchmal nutze. Du kannst aber natürlich auch eine komplett eigene Liste erstellen. Versuche, wirklich möglichst detailliert aufzuschreiben, welche Funktionen (positive wie negative) die Angst für dich hat.
Wofür ist das wichtig?
In aller Regel wird dir durch diese Übung bewusst, dass die Angst, in unseren Fällen nur selten eine nützliche Funktion hat. Näher ausgeführt habe ich das in meinem Artikel Existenzangst – wie sie entsteht und was dagegen hilft. Sie hilft weder bei der Lösungssuche noch verhindert sie in irgendeiner Art und Weise das befürchtete Szenario. Auch das ist ein wichtiges Argument, um deine Existenzangst letztlich besiegen zu können.
Schritt vier: die Angst dokumentieren

Es gibt diverse Apps, die es ermöglichen, deine Angst zu dokumentieren. Wenn du also nicht gerade 24 Stunden eine Kladde unter deinem Arm tragen möchtest, in der du alles notierst, versuche es mit einer App. Meine am liebsten genutzte App ist die SAM App. Sie wurde mit einem Team der Uni Bristol entwickelt und ist unglaublich vielseitig. Zum einen gibt die App dir konkrete Hilfestellungen für den Akutfall. Zum anderen ermöglicht sie aber eben auch eine sehr detaillierte Dokumentation deines Angstlevels und dessen Auswirkungen. Leider gibt es die App derzeit nur auf Englisch, aber für die reine Dokumentation genutzt solltest du auch ohne umfangreiche Englisch-Kenntnisse klarkommen.
Wofür ist das wichtig?
Je genauer du weißt, wann und in welchen Situationen du besonders empfänglich für deine Existenzangst bist, desto besser kannst du gegensteuern. Denn: Je eher du die aufkommende Angst erkennst, desto einfacher kannst du sie direkt wieder in die Wüste schicken. Wenn sie sich erst aufgebaut und gemütlich eingerichtet hat, ist es viel schwerer, sie wieder loszuwerden. Stellst du also beispielsweise nach einigen Wochen Dokumentation fest, dass du besonders morgens unter starken Ängsten leidest, könnte eine Lösung sein, dass du speziell morgens Sport machst. Das lenkt ab und produziert jede Menge Endorphine, die die Angst schnell verjagen.
Schritt fünf: Die Existenzangst beim kleinsten Anzeichen rausschmeißen und dadurch langfristig besiegen

Ich hatte es im letzten Abschnitt schon angedeutet: Der Kern der letzten vier Übungen ist es, die Angst möglichst so früh zu erkennen, als dass sie keine Gelegenheit mehr bekommt, sich erst häuslich bei dir einzurichten. Sobald du merkst, dass die Existenzangst versucht, Raum einzunehmen, argumentiere mit Hilfe der Ergebnisse aus den letzten Übungen dagegen. Argumente können hier sowohl verbale als auch nonverbale sein. Wenn es dir also eher liegt, dich selbst und die Angst zu visualisieren, dann tritt ihr ruhig auch einfach in den Hintern. Ich stelle mir zum Beispiel gern vor, dass ich eine Art Türsteher im Kopf habe, der den „Loser Existenzangst“ direkt am Eingang wieder wegschickt.
Wofür ist das wichtig?
Mit Existenzangst ist es ein bisschen wie mit Schmerzen: Sind sie erst voll ausgeprägt da, ist es ungleich schwieriger, sie zu bekämpfen. Wenn du beim kleinsten Anzeichen von Schmerzen direkt ein leichtes Schmerzmittel bekommst, reicht das in aller Regel schon. Genauso ist es mit der Angst. Erscheint die sie winzig klein am Horizont, kannst du besser gegenwirken, als wenn sie dich schon von hinten im Würgegriff hat. Denn dann kannst du die Existenzangst gar nicht mehr besiegen, sondern nur noch defensiv handeln.
Kann ich damit denn wirklich meine Existenzangst besiegen?
Lösungen kann man nie pauschalisieren. Der Ansatz, den du gerade gelesen hast, ist der, der am häufigsten Erfolge erzielt hat. Erfolge zeigen sich meist schon nach wenigen Wochen. Es reicht, jeden Tag einige Minuten zu investieren, um die oben genannte Methode auszuprobieren.
Aber natürlich kann es auch schwieriger werden. Du kannst in Fällen, in denen du nicht weiter kommst oder in denen du einfach eine individuellere Beratung brauchst, gern einen Termin mit mir vereinbaren. Nutze dafür einfach das Kontaktformular.