Wie jede Angst neigt auch die Existenzangst dazu, sich zu verstetigen, wenn sie nicht bekämpft wird. Einer meiner Klienten ist beispielsweise seit Jahren besorgt, demnächst keinen Cent mehr übrig zu haben. Seit Jahren ist er in seiner Selbstständigkeit sehr erfolgreich und hätte eigentlich keinen Grund zur Sorge. Aber trotz genug Geld und florierendem Geschäft hat ihn die Existenzangst immer wieder fest im Griff.
Menschen, die eine Existenzangst verspüren, obwohl sie es nicht müssten, sind häufig sehr perfektionistisch und haben einen hohen Anspruch an sich selbst. Generell haben sie das Gefühl, sich immer ein bisschen mehr anstrengen zu müssen, als sie es bereits tun. Es ist sozusagen nie genug. Die Ursachen für ein solches Verhalten liegen meist in der Kindheit oder in als besonders schlimm empfundenen Phasen des Mangels.
Vor dem Umgang mit der Existenzangst trotz Geld steht das Verständnis
Du schläfst wieder seit Wochen nicht mehr richtig, fühlst dich angespannt, gereizt und bist ständig wachsam, bloß kein Geld zu verschwenden. Dazu quälen dich die immer gleichen Visionen – wie du vor einem leeren Kühlschrank stehst, der Vermieter bereits zwei Monatsmieten nicht erhalten hat und du das Gefühl hast, nicht mehr zu wissen, wie es weitergehen soll. So oder so ähnlich fühlen sich viele Menschen mit Existenzangst.

Der große Unterschied zu den anderen aber ist, dass deine Sorgen eigentlich unbegründet sind, da du eigentlich keine Geldsorgen hast. Das Konto ist gut gefüllt, der Job sicher und Rücklagen sind auch ausreichend vorhanden. Warum also machst du dir diese Sorgen? Diese Frage stellt dir in aller Regel dein Umfeld, aber auch du selbst stellst sie dir. Damit tust du auch schon unbewusst den ersten Schritt in die richtige Richtung. Denn das Verständnis, warum du so bist wie du bist, ist entscheidend im Kampf gegen Zukunftsängste.
Wo liegen die Ursachen für Existenzangst trotz Geld?
Man kann grob zwischen zwei großen Bereichen als Auslöser von Ängsten unterscheiden. Da wäre zum einen die Kindheit des Betroffenen. Die andere Variante sind schlechte Erfahrungen. Wenn wir das auf die Existenzangst beziehen, gibt es also zum einen die Möglichkeit, dass verschiedene Bedürfnisse des Kindes nicht ausreichend befriedigt wurden, um ein gesundes Bild von sich selbst und der Welt entwickeln zu können. Oder aber es gab Zeiten (auch als Erwachsener), in denen man tatsächlich massive finanzielle Nöte hatte. In diesem Fall fungiert die Existenzangst eher als Vermeidungsstrategie. Schauen wir uns beide Ursachen mal etwas genauer an.
Die Kindheit als Ursache für unangemessene Existenzangst
Wenn wir die Existenzangst versuchen würden, zu sezieren, würden wir feststellen, dass sich viel um die Themen Sicherheit und Kontrolle dreht. Zum einen wird eine Sicherheit angestrebt, die es nicht geben kann, denn nichts, absolut nichts, im Leben ist sicher. Zum anderen bedeutet finanzieller Ruin einen Kontrollverlust für den Betroffenen.
Eltern zeigen einem Kind, wie die Welt funktioniert

Ein Kind lernt in den ersten Jahren seines Lebens viel über die Welt, in der es lebt. Leider ist das, was es lernt, abhängig von den Personen, von denen es lernen kann. Eltern, die ihren Kindern durch ihr Verhalten signalisieren, dass sie nicht gut genug sind oder sich nicht genug anstrengen, oder die gar ihre Zuwendung davon abhängig machen, welche Leistungen das Kind erbringt, legen oft den Grundstein für spätere Existenzangst. Denn das wichtigste learning, das ein Kind aus einem solchen Elternhaus mitnimmt, ist, dass es niemals genug leistet, immer hinterherhinkt und die Liebe seiner Eltern nicht verdient hat.
Ohne Zuwendung kein Überleben
Wenn man bedenkt, dass die Liebe von Eltern vom Kind als existenzieller Faktor eingestuft wird, leidet das Kind dementsprechend bereits in jungen Jahren unter Existenzangst. Ein Kind weiß unbewusst, dass es ohne die Liebe und Zuwendung seiner Eltern nicht überlebensfähig ist. Es kann weder selbst für sein Essen noch für sein körperliches Wohlergehen sorgen. Werden diese Grundbedürfnisse jedoch abhängig von Leistungen gemacht, wird ein künstlicher Mangel hergestellt und das Kind kann sich nie sicher sein, ob seine Leistungen morgen noch ausreichend sind. Das ist Kontrollverlust in Reinform.
Das Ergebnis einer solchen Kindheit
Während seines weiteren Lebens wird dieser Mensch also versuchen, immer die Kontrolle aufrecht zu erhalten, um möglichst in keine unvorhersehbare Situation zu geraten. Da er bereits in jungen Jahren gelernt hat, dass die eigene Existenz nicht sicher ist, ist es nur folgerichtig, dass sich auch Existenzängste aufbauen. Das ist das, was dieser Mensch von der Welt kennt.
Erlebte finanzielle Not als Auslöser für Existenzangst trotz ausreichend Geld

Ein weiterer Auslöser für Existenzangst trotz genug Geld sind Erfahrungen, die die Angst befeuern. Viele von uns haben schon Phasen erlebt, in denen sie wenig Geld hatten. Während der Berufsausbildung beispielsweise. Aber auch Arbeitslosigkeit kann eine solche Erfahrung sein.
Um als schlimm genug für eine dauerhaft ausgeprägte Existenzangst empfunden zu werden, benötigt es eigentlich gar nicht so viel. Je nach innerer Haltung reicht es unter Umständen schon, wenn es gegen Ende des Monats immer knapp wurde. Manche Menschen kann sowas gar nicht erschüttern, andere empfinden das schon als regelrecht traumatisch. Hunger oder zeitweilige Obdachlosigkeit sind hingegen etwas, das bei nahezu jedem Menschen die Welt ins Wanken bringt.
Wie auch immer die genaue Erfahrung ausgesehen haben mag, eines ist für den Betroffenen klar, sobald er die Situation überstanden hat: Das darf mir nie wieder passieren! Und so schnell sind wir in der Existenzangst-Falle. Der Betroffene bemüht sich nach Kräften, die als extrem unangenehm empfundene Situation nie wieder entstehen zu lassen. Weil man den Verlauf des Lebens aber nur begrenzt kontrollieren kann, greift der Mensch nach einem Strohhalm, der scheinbar Kontrolle verspricht: Die Angst.
Natürlich ist das Unsinn und schafft keine wirkliche Kontrolle. Aber unterbewusst wird das so eingestuft. „Wenn ich mich die ganze Zeit mit allen möglichen Gefahren beschäftige, bin ich schließlich vorbereitet und mir kann nichts passieren.“ – so oder so ähnlich lauten Aussagen von Betroffenen. Aber Angst ist keine Vorbereitung und sie stellt auch keine Kontrolle dar. Ganz im Gegenteil. Sie hemmt und führt in den emotionalen Kontrollverlust.
Wie also mit der Angst umgehen?

Nachdem du nun das wichtige Hintergrundwissen hast, gilt es, für dich selbst herauszufinden, was genau bei dir zur Existenzangst geführt hat. Sobald du das klar hast, kannst du damit beginnen, in Situationen, in denen die Existenzangst sich in deinen Kopf schleicht, ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Es ist wichtig, dass du dagegen hältst und die Angst nicht einfach hinnimmst. Geh in Diskussion mit dir selbst und mach dir klar, dass diese Angst weder eine schützende noch eine kontrollgebende Funktion hat. Sie ist aus einer Konstruktion entstanden, die auf tönernen Füßen steht und dein Job ist es, diese Konstruktion einzureißen und bewusst neu aufzubauen.
Hilfreich ist es oft, die eigenen Gedanken in der Auseinandersetzung mit der Angst zu Papier zu bringen. Hier findest du ein Beispiel für so ein Protokoll. Der Vorteil an dieser Methode ist, dass du nach einigen Wochen die Veränderungen sowohl in Bezug auf deine Angstgedanken an sich als auch in Bezug auf die Häufigkeit, mit der diese Gedanken auftauchen, schwarz auf weiß sehen kannst. Das motiviert ungemein, denn meist treten unsere Verhaltensänderungen so schleichend ein, dass man seine eigenen Fortschritte nicht richtig wahrnimmt.
Mein Artikel Existenzangst besiegen in fünf einfachen Schritten bietet dir weitere Hilfestellungen und Ansätze im Kampf gegen die Angst. Diese Anregungen solltest du in jedem Fall auch mit in deinen „Wiederaufbau“ einbeziehen. Wenn das allein nicht ausreichend ist, biete ich dir gern auch eine persönliche Beratung an. Schreibe mir einfach kurz über mein Kontaktformular, damit wir einen Termin vereinbaren können.