Meine Klientin sitzt an diesem dunklen Novembermorgen weinend in einem meiner Korbstühle in meinem Büro und knetet mit beiden Händen verzweifelt ein Taschentuch, das ich ihr gerade gereicht habe. Sie hat gestern erfahren, dass ihr Vertrag nicht verlängert wird und hat nun – verständlicherweise – Existenzangst; Angst, die Kinder und sich selbst nicht mehr durchbringen zu können. Der Vater der Kinder ist schon lange nicht mehr präsent und die Verantwortung für die Familie liegt allein bei ihr.
Und plötzlich ist sie da – Existenzangst
Jeder von uns hat es schon einmal erlebt – plötzlich macht sich Existenzangst breit. Die Angst, zu scheitern – im Beruf oder im privaten Umfeld. Angst, nicht mehr genug Geld zu haben, um die Dinge des täglichen Bedarfs zu finanzieren. Die Angst, den Job zu verlieren oder den Ansprüchen des Jobs nicht genügen zu können. Die Angst, den sicheren Boden des Angestelltenverhältnisses zu verlassen und den Sprung in die Selbstständigkeit zu wagen und damit seinem Traum zu folgen. Aber auch die Angst, die Schule, das Studium oder die Ausbildung nicht zu schaffen und dann ohne Berufsabschluss dazustehen, kann Ausdruck der Existenzangst sein. Für andere ist die Sorge um den Fortbestand der Ehe ein Grund zur Existenzangst, denn eine Scheidung kann erhebliche finanzielle Einbußen bedeuten.
Existenzangst – ein Energievampir

Sie hat viele Gesichter, die Existenzangst, aber eines haben sie alle gemein: Sie bremsen, sie hemmen, sie lähmen. Angst ist nur selten ein guter Berater, denn Angst ist maßlos. Angst verhindert die klare, rationale und lösungsorientierte Auseinandersetzung mit der Situation. Aber vor allem stiehlt einem die Angst massig Energien. Energien, die man für den neuen Weg, den man einschlagen möchte, dringend benötigt. Ich weiß, wovon ich rede – ich habe es viele Male in meinem Leben erfahren. Bevor ich also in die Analyse der Situation gehe, muss ich der alleinerziehenden Mutter von drei Kindern klar machen, dass wir jetzt ihren Verstand brauchen und die Existenzangst, so gut es geht, in Schach halten müssen.
Das Prinzip der Angst
Existenzangst funktioniert wie alle Ängste: Egal, ob sie sich auf leisen Sohlen von hinten in dein Leben schleicht oder ob sie mit einem riesigen Knall von jetzt auf gleich einfach so da ist, sie umklammert dich mit festem Griff. Angst entsteht in der Amygdala, die wiederum im Gehirn liegt. Vorstellen kannst du dir das wie eine Art innere Alarmanlage, die auf bestimmte Reize reagiert. Dabei wird diese Alarmanlage unser komplettes Leben lang trainiert und je häufiger wir vor etwas Angst haben, desto sensibler reagiert die Amygdala. In der Frühgeschichte des Menschen war das durchaus sinnvoll, denn es hat unser Leben gerettet und natürlich ist damit Angst erst einmal ein nützliches Gefühl, so wie Alarmanlagen durchaus nützlich sein können. Angst warnt uns vor Gefahren.
Existenzangst warnt uns vor einer Gefahr für unsere Existenz, aber ist die Existenz denn tatsächlich gefährdet?

Das Problem ist aber, dass wir heute nicht mehr in Höhlen leben und unser Leben nicht ständig bedroht ist. Sprich: Existenzangst ist nicht mehr wie im ursprünglichen Sinne mit einer ernsthaften Gefährdung für die gesamte Existenz verbunden, sondern betrifft eher die Angst vor dem Verlust von Gütern oder liebgewonnen Menschen. Machst du dir das bewusst, landest du schnell an dem Punkt, an dem du dir die Frage stellst, wovor genau du eigentlich Angst hast und wie realistisch diese Angst bei näherer Betrachtung überhaupt noch ist.
Argumente der Existenzangst überprüfen
Bleiben wir bei meinem eingangs erwähnten Beispiel der alleinerziehenden Mutter, so stelle ich vor allem eines fest: Sie hat schon Angst, obwohl sie aktuell noch alle Karten in der Hand hält, denn sie könnte sich beispielsweise auf die Suche nach einer neuen Arbeit begeben. Sie könnte sich aber auch bewusst machen, dass sie, selbst wenn sie nicht rechtzeitig eine neue Stelle finden sollte, dank unseres Sozialsystems weiterhin ein Dach über dem Kopf haben wird und ihren Kindern Essen kaufen kann.
Aber warum, wenn wir das doch wissen, haben wir dann trotzdem Angst?
Ganz einfach: In unserem Kopf laufen Filme ab und das sind nicht die guten, die man sich gern im Kino anschaut, sondern die, die Angst machen. Filme, die in den schillerndsten Farben das Schreckliche ausmalen. Genau so funktioniert Existenzangst – sie ist sozusagen unser persönliches Hollywood-Studio, das mit höchster Präzision Kinofilme im Kopf produziert. Wenn wir nicht gerade in einer ernsthaft unmittelbar gefährlichen Situation sind, lässt sich dieses Prinzip auf nahezu jede Angst, die wir so haben können, anwenden. Es sind in aller Regel unsere eigenen Befürchtungen und Bewertungen, die uns Angst machen. Sind wir erst einmal in der uns Angst machenden Situation angelangt, ist es meist gar nicht so schlimm – auch das hat jeder von uns schon erlebt. Es ist wichtig, diese Winkelzüge der Existenzangst zu durchschauen, um sie anschließend bekämpfen zu können.
Woran erkenne ich denn, ob ich an Existenzangst leide?

Wie jede Angst zeigt natürlich auch Existenzangst klassische Symptome. Neben häufigem Grübeln über die möglichen Folgen einer existentiell bedrohlichen Situation zeigen sich typische Angstsymptome wie:
- Innere Unruhe / Rastlosigkeit
- Hohe emotionale Anspannung
- Gereiztheit
- Sozialer Rückzug
- Körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Herzrasen, innerliches Frösteln, Magen-Darm-Beschwerden, Verspannungen, usw.
- Konzentrationsprobleme
- Depressive Verstimmungen
Da jeder Mensch anders reagiert, müssen bei dir natürlich nicht all diese Anzeichen auftreten und genauso ist die Aufzählung nicht zwingend vollständig – Angst hat viele Variationen, in denen sie sich zeigen kann. Es gibt Menschen, die bspw. ausschließlich körperlich reagieren. Herzrasen ist ein verbreitetes Beispiel dafür, denn es kann sein, dass du deine Ängste gar nicht wahrnimmst, weil sie eher unterbewusst da sind und du stattdessen nur ein körperliches Symptom hast, für das es aber nach ärztlicher Untersuchung keine organische Erklärung gibt. Wenn du dich dann auf Spurensuche begibst, landest du unter Umständen bei versteckten Ängsten. Daraus folgt direkt die nächste Frage:
Ist Existenzangst immer eine Angsterkrankung?
Ganz klar: Nein. Es gibt sicherlich Ausprägungen, die in eine krankhafte Richtung gehen. In meinem Artikel Existenzangst oder Angststörung – Unterschiede erfährst du mehr darüber, wann eine Existenzangst therapeutisch behandelt werden sollte und woran man eine behandlungsbedürftige Angststörung überhaupt erkennt. In aller Regel sind Existenzängste aber ausgelöst durch äußere Einflüsse, die einfach fehlinterpretiert werden und dann ist es wichtig, sich der Angst zu stellen und sie zu bearbeiten. Manchmal gelingt das in Eigenregie und manchmal benötigt man Hilfe von außen, um wieder einen angemessenen Blick auf die Situation werfen zu können. „Angemessen“ bedeutet hier zum einen, die Lage realistisch einzuschätzen und zum anderen, sich wieder lösungsorientiert mit der Situation zu beschäftigen. Sicherlich kennst du diese Bilder, auf denen zwei völlig verschiedene Szenen zu erkennen sind. Genau so ist es mit der Situation, die Existenzangst auslöst; es hilft oft, den Blick auf die Dinge zu verändern, um ein völlig neues Bild erkennen zu können.
Formen der Existenzangst
Wie ich oben schon kurz angedeutet hatte, gibt es unzählige Situationen, die eine Existenzangst auslösen können. Einige der gängigsten Auslöser stelle ich euch hier vor, aber die Aufzählung ist ausdrücklich nicht abschließend.
Existenzangst durch Schwangerschaft
Insbesondere bei ungewollten oder ungeplanten Schwangerschaften ist Existenzangst keine Seltenheit. Sei es die Sorge, finanziell nicht gut genug abgesichert zu sein, um ein Kind großzuziehen oder aber die Angst, dass der Partner das Kind nicht möchte, sich deshalb eventuell trennt und die Familie dadurch in finanzielle Schieflage geraten würde.Weil das Thema „Existenzangst in der Schwangerschaft“ ein sehr verbreitetes Problem ist, habe ich hierzu einen separaten Artikel geschrieben, in dem ich näher darauf eingehe.
Auch die Aussicht alleinerziehend zu sein, kann durchaus massive Existenzangst hervorrufen. Auf dieses Thema und mögliche Lösungen bezieht sich mein Artikel Existenzangst und alleinerziehend. Solltest du betroffen sein, lohnt sich hier auf jeden Fall eine Vertiefung des Themas für dich.
Existenzangst wegen einer Trennung
Eine Trennung oder Scheidung stellt neben der emotionalen Belastung für die beiden Partner unter Umständen auch eine erhebliche finanzielle Belastung dar. Da gibt es beispielsweise die Familie, die jahrelang in der klassischen Rollenverteilung gelebt hat, so dass ein Ehepartner kein eigenes Einkommen hat und auch schon zu lange aus dem Beruf heraus ist, um schnell wieder eine neue Anstellung finden zu können. Auch der Ehepartner mit eigenem Einkommen kann in finanzielle Not geraten, wenn klar ist, dass Unterhalt für ein oder mehrere Kinder sowie für den Ex-Ehepartner fällig werden. Gerade, wenn es um mehrere unterhaltsberechtigte Personen geht, kann der Unterhalt ein großes Loch ins Portemonnaie reißen. Aber auch gemeinsame Kredite, die noch abbezahlt werden müssen, können schnell zum Problem werden. Auf die gängisten Situationen und mögliche Hemmnisse gehe ich in meinem Artikel Existenzangst bei Trennung ein. In diesem Beitrag findest du auch einige Gedankengänge, die vielleicht wichtig für dich sind.
Existenzangst bei gesundheitlichen Problemen
Burnout, Depression, Borderline, kaputter Rücken – was auch immer dazu führt, dass man nicht wie gewohnt arbeiten kann, löst Angst aus. Man fühlt sich ohnehin geschwächt und ist in dieser Situation noch weniger in der Lage, die Existenzangst abzufedern. Gerade bei psychischen Erkrankungen ist in jedem Fall immer auch eine psychotherapeutische Hilfe sinnvoll, um den Leidensdruck möglichst schnell lindern zu können, wohingegen bei körperlichen Beschwerden, die eine geregelte Tätigkeit verhindern, ein Coaching hingegen durchaus Sinn macht.
Existenzangst bei unsicheren Einkommensverhältnissen
Gerade Selbstständige sind häufig davon betroffen: Das Einkommen ist nicht immer gut planbar, denn anders als bei einem Angestelltenverhältnis gibt es eben in der Selbstständigkeit keinen Festvertrag, der ein regelmäßiges monatliches Einkommen garantiert. Wenn dann die Auftragslage nicht gut ist oder die Rücklagen nicht sehr hoch sind, kann es schnell eng werden. Dass solche Situationen zu Existenzangst führen können, verwundert kaum, aber auch hier gibt es Lösungen. Hier erfährst du mehr über Existenzangst bei Selbstständigen.
Längst nicht mehr nur Selbstständige betroffen
Aber nicht nur die Selbstständigkeit führt zu unsicheren finanziellen Verhältnissen, denn immer mehr Arbeitsverträge sind befristet und somit ist das monatliche Einkommen auch immer nur für einen gewissen Zeitraum sicher. Der Fall der alleinerziehenden Mutter, die ich weiter oben erwähnte, zeigt deutlich, wie belastend eine solche Situation sein kann.
Und wenn ich Existenzangst trotz Geld habe?
Wie ich bereits oben erwähnt habe, ist die Aufzählung der Situationen, die zu Existenzangst führen können, nicht abschließend. Es gibt aber natürlich auch Menschen, die eigentlich gar kein Problem haben, das zu Existenzangst führen könnte und die die Angst trotzdem nur zu gut kennen. Sei es, weil sie in der Vergangenheit bereits Mangel erlebt haben, oder auch, weil sie einfach immer eine möglichst hohe Sicherheit und Kontrolle in ihrem Leben haben wollen. Ursachen und Lösungsansätze dazu findest du unter Existenzangst trotz Geld.
Welche Hilfen gibt es bei Existenzangst
Es gibt verschiedene Wege, mit der Existenzangst umzugehen. Dabei kannst du ganz grob zwischen zwei Bereichen unterscheiden – der Selbsthilfe und der Hilfe durch einen Coach bzw. im Falle einer psychiatrischen Erkrankung durch einen Psychotherapeuten.
Erste Möglichkeit: Die Selbsthilfe
Die Selbsthilfe beinhaltet ein gewisses Maß an Aufwand, denn bevor es losgehen kann, musst du dich einlesen und dich mit dem Thema Angst beschäftigen. Ein wenig bin ich darauf weiter oben ja bereits eingegangen. Wenn du die Funktion der Angst verinnerlicht hast, bist du schon einen großen Schritt weiter. Der nächste Schritt der Selbsthilfe bei Existenzangst ist das Erlernen von verschiedenen Methoden, um besser mit der Angst umgehen zu können, denn das Ziel liegt gerade zu Beginn nicht zwingend in der Beseitigung der Angst, weil das leider nicht von jetzt auf gleich klappt. Viel wichtiger ist es, Techniken zu erlernen, die es dir erleichtern, die Angst zu ertragen, wenn sie denn kommt und sie bestenfalls sogar abzumildern. Unter Existenzangst besiegen in fünf einfachen Schritten findest du ein relativ simples Programm, das dir durchaus dabei helfen kann.
Zweite Möglichkeit: Unterstützung suchen

Die von einem Fachmann unterstützte Hilfe bei Existenzangst ist sicherlich immer dann geeignet, wenn du selbst nicht weiterkommst. In diesem Fall macht Hilfe von außen immer Sinn, denn die Alternative wäre abzuwarten und zu hoffen, dass sich das Problem von allein löst. Das Gemeine an Existenzangst im Speziellen und Angst im Allgemeinen ist aber, dass sie sich nur selten von selbst erledigt. Ganz im Gegenteil – je länger wir sie mit uns herumtragen und ihr Aufmerksamkeit schenken, desto größer und dicker wird sie. Bis sie irgendwann den kompletten Geist ausfüllt und keinen Raum für andere Dinge lässt, denn Angst ist nie satt und je schneller wir sie auf Diät setzen, desto weniger Platz kann sie einnehmen.
Ganz oft reicht es schon, wenn man Hilfe dabei bekommt, den Fokus zu verändern. Ein Coach ist in der Lage, die Situation von außen und frei von einschränkenden Emotionen zu betrachten – etwas, das einem selbst manchmal nicht mehr gelingt. Manchen Menschen reicht bereits ein Gespräch, um wieder klarer und lösungsorientierter zu sehen und zu handeln. Wenn du dafür meine Hilfe in Anspruch nehmen möchtest, schreibe mich gern über mein Kontaktformular an.
Woran erkenne ich denn überhaupt, dass ich Hilfe brauche?
Die Antwort auf diese Frage lässt sich pauschal kaum geben. Angst ist – wie jedes Gefühl – eine sehr individuelle Angelegenheit. Es gibt Menschen, die Existenzangst gut aushalten und eher als Ansporn sehen, um noch mehr zu versuchen und zu geben. Genauso gibt es aber natürlich auch Menschen, die regelrecht gelähmt sind vor lauter Angst und die dadurch kaum noch handlungsfähig sind. Grundsätzlich kann man sicher sagen, dass du, sobald ein Leidensdruck da ist, auch nach Hilfe suchen solltest. Sei es selbst angeleitet oder von außen unterstützt. Angst sollte nicht dein Denken und Handeln bestimmen, weil sie selten wirklich produktiv ist. Die allermeisten Menschen leiden unter der Angst, wenn sie ein gewisses Ausmaß erreicht hat. Sobald Existenzangst deinen Tag dominiert, ist es Zeit, etwas zu unternehmen. Denn in den seltensten Fällen ist die Situation derart ausweglos, als dass sie nicht auch Seiten offenbart, die hilfreich oder vielleicht sogar gut für dich sind.
Und wie ging es mit der alleinerziehenden Mutter weiter?

Wir haben es gemeinsam in wenigen Terminen schaffen können, die Situation so zu lösen, dass sie befreiter agieren konnte und mittlerweile einen neuen Job hat. Besonders die Suche nach den Ursachen für diese plötzlich massiv auftretende Existenzangst war in ihrem Fall sehr hilfreich. Es stellte sich nämlich heraus, dass sie sehr oft in ihrem Leben erfahren musste, dass die Menschen um sie herum nicht an sie geglaubt haben. In der Folge glaubte sie auch selbst immer weniger an sich und ihre Fähigkeiten. Als wir dann gemeinsam auf die Suche nach dem „Gegenbeweis“ gingen, wurden wir schnell fündig. Diese alleinerziehende Mutter war so viel stärker als sie jemals annahm und als ihr das bewusst wurde, war sie auch wieder in der Lage, die Existenzangst ein Stück weit in den Hintergrund zu schieben und sich auf die Suche nach einer neuen Tätigkeit zu begeben.
Es lohnt sich, an sich zu arbeiten
Heute sehen wir uns nur noch selten, weil es kaum noch Bedarf dafür gibt. Aber wenn wir uns begegnen und ich ihr heutiges Auftreten mit dem von damals vergleiche, bin ich selbst immer wieder erstaunt, wie sehr sie heute strahlt. Ich sehe dann eine Frau vor mir, die weiß, was sie kann und wer sie ist und der Unterschied zu damals ist riesig.
Wegen solcher Wandlungen kann ich immer nur jedem raten, an sich zu arbeiten. Es lohnt sich so sehr und gibt dir ein neues Lebensgefühl, wenn du am Ball bleibst. Und das kann jeder schaffen, denn in uns allen schlummern Talente, Fähigkeiten und Energien, die nur darauf warten, entfesselt zu werden. Also lass uns beginnen!