Vor einiger Zeit betreute ich eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, die sich von ihrem Ex-Mann regelrecht terrorisiert fühlte. Er rief unentwegt an, klingelte bei ihr, stand vor dem Haus und warf mit Eiern oder brennenden Gegenständen in Richtung ihres Balkons. Immer wieder lauerte er ihr auf, wenn sie mit den Kindern das Haus verlassen wollte. Mit der Frage, ob das Jugendamt ihrem Ex-Mann nicht das Umgangsrecht, das er ohnehin nur unregelmäßig wahrnahm, entziehen kann, wandte sie sich schließlich an mich.
Meine Klientin im eingangs erwähnten Beispiel ging davon aus, dass das Jugendamt rechtlich wirksame Maßnahmen festsetzen könne. Und damit ist sie nicht allein – viele Menschen glauben das. Mit dieser Annahme liegt man jedoch falsch. Kernaufgabe des Jugendamtes bei Trennungs- und Umgangsthematiken ist es, eine Beratung anzubieten. Das Umgangs- oder gar das Sorgerecht kann ausschließlich von einem Familiengericht entzogen werden. Um hier für mehr Klarheit zu sorgen, habe ich mich entschieden, diesem wichtigen Thema einen eigenen Artikel zu widmen.
Umgangsrecht kurz erklärt
Das Umgangsrecht gehört neben dem Sorgerecht und dem Aufenthaltsbestimmungsrecht zu den drei Hauptkriterien, um die sich Eltern immer wieder nach einer Trennung streiten. Das Recht des Kindes auf Umgang mit den Eltern kann nur in Ausnahmefällen aufgehoben werden. Es ist ein sehr starkes Recht und das sehr bewusst. Es soll jedem Kind, ganz gleich, ob die Eltern sich verstehen, die Möglichkeit bieten, mit beiden Elternteilen Kontakt zu haben. Insbesondere für die Eltern besteht nicht nur das Recht auf Umgang, sondern sogar die Pflicht. Über das Umgangsrecht entscheidet einzig und allein das Familiengericht rechtsverbindlich. Das Jugendamt hat im Zuge einer Inobhutnahme sehr kurzfristig die Möglichkeit, den Umgang mit den Kindeseltern zu unterbinden. In diesem Fall muss aber entweder das Einverständnis der Eltern vorliegen, oder das Jugendamt muss das Familiengericht hinzuziehen.
Rechtsgrundlage des Umgangsrechts

Um zu verstehen, worum es sich beim Umgangsrecht genau handelt, schauen wir uns zuerst die Rechtsgrundlage an. Geregelt wird der Umgang mit den Eltern im § 1684 BGB. Dort heißt es in Absatz 1, dass das Kind ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern hat. Zudem haben die Eltern neben dem Recht auf zusätzlich noch die Pflicht zum Umgang. Absatz 2 regelt, dass Eltern oder Pflegestellen wechselseitig „alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen […] beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.“.
Sicherlich hast auch du schon von getrennt lebenden Elternteilen gehört, die versuchen, das gemeinsame Kind auf ihre Seite zu ziehen, es zu beeinflussen oder gar zu manipulieren. Ziel dieses Verhaltens ist es oft, den anderen Elternteil schlecht dastehen zu lassen. Gleiches gilt, wenn ein Kind fremduntergebracht ist. Auch dann darf keine der Bezugspersonen die jeweils anderen Bezugspersonen bewusst in Misskredit bringen. Nur so kann der Gesetzgeber verhindern, dass sich das Kind letztlich in einem Loyalitätskonflikt wiederfindet.
Letzter Weg – Umgangspflegschaft
Absatz 3 legt fest, welchen Handlungsspielraum das Familiengericht hat, wenn es irgendwelche Probleme beim Umgang gibt, die die Beteiligten nicht selbst beilegen können. Weigert sich beispielsweise die Kindesmutter, das Kind an den Vater zum Zweck des Umgangs herauszugeben, kann dieser sich an das Familiengericht wenden. Das Familiengericht hat dann die Möglichkeit, eine sogenannte Umgangspflegschaft festzusetzen. Der Richter bestimmt also einen Umgangspfleger, der berechtigt ist, das Kind dem Vater für die Umgangszeiten zuzuführen. Umgangspflegschaften sind immer zeitlich begrenzt. Anfangs kann der Umgangspfleger den Umgang begleiten. Das macht insbesondere bei Kindern Sinn, die einen Elternteil längere Zeit nicht mehr gesehen haben, weil der andere Elternteil die Umgänge verweigert hat. Sobald sich das Verhältnis zwischen Kind und Elternteil dann normalisiert hat, zieht sich der Umgangspfleger nach und nach zurück. Ziel muss es immer sein, die Eltern letztlich auf einen Stand zu bringen, der es ihnen möglich macht, die Umgänge wieder selbst zu organisieren.
Umgangsrecht bei Kindeswohlgefährdung
Der 4. und letzte Absatz regelt die Möglichkeiten, das Umgangsrecht einzuschränken oder ganz auszusetzen. Auch hier wiegt das Recht des Kindes auf Umgang noch so stark, als dass der Richter nur in absoluten Ausnahmefällen dieses Recht außer Kraft setzen darf. Meist erfolgen diese Aussetzungen befristet, so dass die Situation in regelmäßigen Abständen neu bewertet werden kann. Solange es mit dem Kindeswohl noch vereinbar ist, werden Umgänge begleitet gestattet. Lebt ein Kind beispielsweise in einer Einrichtung, so kann das Familiengericht anordnen, dass ein Mitarbeiter der Einrichtung die Umgänge mit den Eltern begleitet. Genauso ist es aber auch möglich, dass bei getrennt lebenden Eltern die Großeltern die Umgänge begleiten. So individuell wie die Fälle sind, so individuell sind auch die Lösungen.
Wenn das Jugendamt das Umgangsrecht nicht entziehen kann – wie kann es dann helfen?

Mit der Beschäftigung mit dem § 1684 BGB ist deutlich geworden, dass das Jugendamt das Umgangsrecht nicht entziehen kann und darf. Und dennoch können die Mitarbeiter in solchen Fällen helfen. Nicht jede Unstimmigkeit zwischen Eltern muss direkt vor Gericht landen. Die meisten Menschen wissen, dass das Jugendamt für den Schutz unserer Kinder zuständig ist. Viele wissen aber nicht, dass die Mitarbeiter auch bei Trennungen, Problemen mit dem eigenen Kind oder eben auch bei Schwierigkeiten mit Umgängen beraten. Gerade, wenn Eltern gar nicht mehr miteinander sprechen, kann das Jugendamt als Mittler zwischen beiden Parteien fungieren. Auch ein gemeinsames, klärendes Gespräch kann das Jugendamt begleiten. Zuletzt gibt es auch noch die Möglichkeit an andere Beratungsstellen zu vermitteln, so dass die Eltern dort einen kontinuierlichen Kontakt haben.
Bittet man das Jugendamt selbst um Hilfe, werden nach Bedarf Gespräche stattfinden, an deren Ende im besten Fall eine freiwillige Vereinbarung steht. Diese Vereinbarung wird schriftlich festgehalten und zur Fallakte hinzugefügt. Abhol- und Bringzeiten, die Häufigkeit der Umgänge aber auch individuelle Vereinbarungen können Teil dieses Schriftstücks sein. Wichtig zu wissen ist jedoch, dass solche Dokumente keinerlei Rechtsverbindlichkeit besitzen. Die Motivation beider Elternteile ist also von entscheidender Bedeutung für das Gelingen eines solchen Klärungsprozesses.
Was, wenn das Jugendamt nicht helfen kann?

Problematisch wird es, wenn einer der beiden Elternteile kein Interesse an einer gemeinsamen Lösung hat. Dann kann auch das Jugendamt nicht viel machen. Der Weg führt dann immer nur über das Familiengericht und da wird es dann wirklich schwierig. Denn wie ich oben bereits gesagt hatte, muss das Wohl des Kindes gefährdet sein, um den Umgang komplett auszusetzen. Wann das Kindeswohl gefährdet ist, habe ich in meinem Artikel Wann darf das Jugendamt das Kind entziehen? genau erläutert. Im Zweifel kann das bedeuten, dass der Richter einfach eine Umgangsregelung festlegt, an die sich beide Eltern dann zu halten haben. Deshalb rate ich grundsätzlich dazu, sich außergerichtlich zu einigen. Beratungsgespräche für betroffene Eltern(-teile) biete ich an, so dass du dich gern an mich wenden kannst, wenn du zunächst eine unverbindliche Beratung haben möchtest. Schreibe mir hierzu einfach über mein Kontaktformular.
Fazit
Das Jugendamt kann das Umgangsrecht nicht entziehen, wohl aber beratend zur Seite stehen. Im Interesse des Kindes sollte man diesen Weg, wo möglich, beschreiten. Es gibt nur wenige Ausnahmen, in denen ein Familienrichter einem Elternteil das Umgangsrecht entzieht, so dass bei einer Klage damit gerechnet werden muss, dass ohnehin eine Regelung getroffen wird. Das Mitspracherecht und die Ausgestaltung liegen dann aber nicht mehr zwingend bei den Eltern.
In meinem eingangs erwähnten Beispiel war das ebenfalls nicht wirklich eindeutig. Die Mutter hatte sich bereits an das Jugendamt, den Weissen Ring und andere lokale Beratungsstellen gewandt. Eine langfristige Lösung konnte nie gefunden werden, weil der Vater nicht nachhaltig an einer Lösung mitarbeitete. So blieb mir nur, der Mutter zu raten, sich jeden Vorfall mit Datum und Uhrzeit zu notieren und möglichst immer die Polizei zu rufen. Ziel konnte in diesem Fall nur sein, dass eine eventuelle Klage vor dem Familiengericht möglichst gut unterfüttert war. Nur über diesen Weg konnte bewiesen werden, dass das Wohl der Kinder erheblich unter dem Verhalten des Vaters litt. Jedoch wurden selbst in diesem Fall begleitete Umgänge festgesetzt. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt, so dass alle Beteiligten sich arrangieren konnten.