Als ich eines Abends auf der Couch lag, bemerkte ich, dass mein Herz von einer Sekunde auf die andere begann, zu rasen. Ich maß dem keinerlei Bedeutung bei und war sicher, dass sich das schnell von allein wieder erledigen würde. Tat es nicht. Mein Herz raste weiter vor sich hin und langsam, ganz langsam, kroch Angst in mir hoch. „Bekomme ich gleich einen Herzinfarkt?“, „Kann es sein, dass ich nicht mehr genug Luft bekomme?“ oder „Was, wenn ich gleich einfach umfalle und an plötzlichem Herztod sterbe?“. Diese und ähnliche Gedanken fluteten meinen Kopf mit immer größer werdender Geschwindigkeit. Eines hatte ich jedoch nicht auf dem Schirm: Panikattacken! Das ist interessant, weil es die am naheliegendste Erklärung wäre und ich sie doch nicht auf dem Schirm hatte. Und damit war ich nicht allein. Obwohl Panikattacken sehr verbreitet auftreten, glauben die wenigsten, dass sie davon betroffen sein könnten.
Was sind Panikattacken?
Panikattacken sind eine körperliche Reaktion auf äußeren, inneren oder organischen Stress. Der Körper versetzt sich in einen Modus der Angst und der Betroffene kann sich nicht erklären, woher diese Angst plötzlich kommt. Denn in aller Regel fehlt ein äußerer Auslöser. In der Folge bemüht sich der Betroffene, Erklärungen zu finden, um so weitere Panikattacken zu vermeiden. Eine sich immer schneller drehende Spirale aus Vermeidung und Angst vor der Angst setzt ein. Welche Mechanismen da einsetzen und was du tun kannst, um sie zu unterbrechen, erfährst du hier.
Wie verbreitet sind Panikattacken?

Wie ich oben schon angedeutet habe, sind Panikattacken ziemlich verbreitet. Ungefähr jeder Fünfte der deutschen Bevölkerung hat bereits einmal im Leben eine Panikattacke erlebt. Frauen sind fast doppelt so oft betroffen wie Männer – diese Zahl ist jedoch mit Vorsicht zu genießen, denn Frauen gehen auch deutlich häufiger zum Arzt bei einmaligen Beschwerden. Es kann also sein, dass die Dunkelziffer bei den Männern schlicht höher ist. Weiterhin sinkt die Altersgrenze, wann Panikattacken erstmalig auftreten, mittlerweile immer weiter ab. Die Betroffenen können also immer häufiger auch schon im Teenageralter angetroffen werden. Auch Kinder können bereits Panikattacken bekommen – mehr zu diesem Thema erfährst du in meinem Artikel Panikattacke bei Kindern – gibt es sowas?.
Grundsätzlich wird an den Zahlen deutlich, dass du längst nicht allein bist, wenn du unter Panikattacken leidest. Laut Statistik müssten sich in unserem Bekanntenkreis etliche Menschen finden, die bereits Panikattacken erlebt haben. Von kaum jemandem wirst du erfahren, dass auch ihm diese undefinierbare Angst bekannt ist. Dennoch sind viel mehr bereits mit Panikattacken in Berührung gekommen, als du vielleicht denken magst.
Sind bestimmte Menschen besonders gefährdet?
Falls du dich jetzt gerade fragst, warum zur Hölle ausgerechnet du einer von den jeweils Fünften sein musst – einfache Antwort: Du hast einfach Pech. Panikattacken haben kein Beuteschema und sind dazu auch noch ziemlich distanzlos. Sie können jeden von uns treffen und das hängt schlicht damit zusammen, dass wohl kaum jemand ein ganzes Leben lang immer nur glücklich und entspannt ist. Sobald dein Körper irgendeine Form von Stress hat (dazu zähle ich auch organische Erkrankungen), kann sich das in Panikattacken äußern. Eine detailliertere Antwort auf die Frage, ob manche Menschen eher Panikattacken bekommen können als andere, findest du in meinem Artikel Welche Menschen bekommen Panikattacken?.
Wie fühlt sich eine Panikattacke an – was sind mögliche Symptome?

Die Symptome von Panikattacken variieren von Mensch zu Mensch – ebenso die Ausprägung der Symptome. Dennoch gibt es einige Faktoren, die nahezu immer zu finden sind, wenn von Angstanfällen die Rede ist. Gehen wir zunächst auf die körperlich spürbaren Zeichen ein, um uns dann den seelischen Symptomen zuzuwenden.
Zu den körperlichen Symptomen zählen:
- Herzrasen
- gefühlte Atemnot / Hyperventilation
- Schwitzen
- Zittern / inneres Frösteln
- massive Unruhe
- Anstieg des Blutdrucks
- Schwindel
- Extrasystolen
Dazu kommen psychische Symptome:
- massive Angst und Panik, bis hin zu Todesangst
- Erwartungsangst (die Angst vor der nächsten Panikattacke, auch als Angst vor der Angst bezeichnet)
- verstärkte Beobachtung der eigenen Körperfunktionen
- innere Unruhe – oft mit dem Bedürfnis nach Flucht
- dissoziative Symptome wie Derealisation oder Depersonalisation
Natürlich sind diese Symptome nicht alle bei jedem immer vorhanden. Manche Menschen haben massive Gefühle von Luftnot, wohingegen bei anderen nur das Herzrasen sehr ausgeprägt ist. Die Angst, weil man nicht einordnen kann, was gerade mit einem passiert, gehört jedoch immer dazu. In der Regel klingen Panikattacken nach einigen Minuten von selbst wieder ab. Das hat damit zu tun, dass der Körper nicht kontinuierlich unter Hochlast fahren kann. Besonders die psychischen Begleiterscheinungen treten jedoch mit jeder Panikattacke mehr in den Vordergrund. Vermeidungsverhalten oder auch Krankheitsängste können die extremen Folgen davon sein.
Wo liegen die Ursachen für Panikattacken?
Wie ich weiter oben schon angerissen hatte, haben Panikattacken und Angstgefühle häufig irgendeine Form von Stress als Ursache. Unter Stress kann sowohl seelischer Stress wie auch rein körperlicher Stress verstanden werden.

Erster Schritt der Ursachenforschung
So ist es beispielsweise möglich, dass deine Schilddrüse ein Problem hat und sich das in Panikattacken äußert. Das hormonelle Gleichgewicht unseres Körpers ist sehr empfindlich und wenn Organe wie die Nebennieren oder die Schilddrüse eine Funktionsstörung haben, kann das äußerst unangenehme und teils deutliche Symptome zur Folge haben.
Deshalb ist es so wichtig, dass du immer erst einmal zu einem Check-Up bei deinem Hausarzt gehst, wenn du glaubst, dass du Panikattacken hast. Da Panikattacken gern auch abends oder nachts, wenn wir zur Ruhe kommen, auftreten, kann gerade bei erstmaligem Auftreten der Symptome auch durchaus eine Notaufnahme angezeigt sein. In jedem Fall müssen organische Ursachen ausgeschlossen werden.
Andere in Frage kommende Ursachen
Ist die körperliche Untersuchung ohne Befund gewesen, kommt die eigentliche Arbeit. Denn ab jetzt geht es darum, herauszufinden, was in deinem Leben dich so belastet, als dass dein Körper mit Panikattacken reagiert. Jetzt geht es um die Seele und die ist leider nicht so einfach zu testen wie dein Blut oder deine Organe. Diagnosen sind hier selten eindeutig und häufig vielschichtig. Zusammenfassen kann man die Ursachen natürlich auch hier unter „Stress“, aber der Begriff ist breit gefächert. Für manche Menschen ist die Arbeit der Stressor, für andere vielleicht die unglückliche Beziehung. Mein Artikel Panikattacken nach Trennung beschäftigt sich beschäftigt sich beispielsweise mit Ängsten in seelisch belastenden Situationen.
Auch Depressionen gehen oft mit Panikattacken einher – das kann so weit gehen, als dass die Angst derart im Vordergrund steht, als dass die Depression in Form von Traurigkeit gar nicht spürbar ist. Allgemein bekannt ist diese Form der Angst auch im Zusammenhang mit Burnout. In meinem Artikel Kann eine Erschöpfungsdepression Panikattacken zur Folge haben gehe ich näher auf dieses Thema ein.
Wenn du mehr über die körperlichen Zusammenhänge von Panikattacken wissen möchtest, empfehle ich dir, meinen Artikel Wieso bekommt man Panikattacken? zu lesen. Hier erkläre ich noch einmal im Detail die Abläufe des Körpers, die zu Angst und Panik führen können.
Ursachensuche ist selten ein leichtes Unterfangen
Letzten Endes liegt gerade bei wiederkehrenden Panikattacken oft ein langer Weg vor den Betroffenen. Ist man zu Beginn noch erleichtert, wenn einem die Ärzte versichern, dass man körperlich völlig gesund ist, stellt sich schnell Ernüchterung ein, wenn die nächste Panikattacke trotzdem folgt. Auch mir ging es so. Es hat Jahre gedauert, bis ich gelassener mit der Panik umgehen konnte und vor allem nicht nur rational, sondern auch emotional, verstehen konnte, dass meine Angstanfälle keine organische Erkrankung anzeigen.
Panikattacken und Panikstörung – zwei paar Schuhe

Panikattacken und Panikstörung werden oft in einem Atemzug genannt. Dabei gibt es einen gewichtigen Unterschied zwischen beiden Begrifflichkeiten. Panikattacken sind zunächst nur die Bezeichnung für eine Reaktion deines Körpers auf Belastungen verschiedener Art.
Eine Panikstörung dagegen liegt vor, wenn Panikattacken regelmäßig auftreten und sich dadurch eine krankhafte, einschränkende Ausprägung einstellt. Die Betroffenen beginnen, ständig in sich hineinzuhören und jede kleinste Regung ihres Körpers zu beobachten. In solchen Phasen bilden sich häufig auch weitere körperliche Symptome, wie beispielsweise Extrasystolen, aus, die für noch mehr Angst sorgen. Viele Betroffene sehen in solchen Erscheinungen erst recht die Bestätigung dafür, dass die Ärzte etwas übersehen haben müssen und es deshalb keine Panikattacken sein können.
Auch ich kann im Nachhinein all diese Gedankengänge in meiner eigenen Geschichte wiedererkennen. Nach dem ersten Anfall von Herzrasen und einer Odyssee von darauf folgenden Arzt- und Notaufnahmebesuchen ohne Ergebnis entwickelte ich mehr und mehr Symptome. Ich bekam Extrasystolen, begann innerlich komplett zu pulsieren und zu beben, sobald ich einschlafen wollte oder hatte ständig ein unangenehmes Kribbeln in der Magengegend. Irgendwann beobachtete ich meinen Körper mit einer solchen Akribie, dass es schon zwanghafte Züge annahm. Natürlich verstärkten sich die Panikattacken dadurch noch und so entwickelte sich dann eine Panikstörung.
Der Kreislauf der Angst

Dieses sich selbst verstärkende Konstrukt nennt man auch den Kreislauf der Angst. Du kannst dir das wie eine Spirale vorstellen, die kein Ende hat. Ein Gedanke bedingt den nächsten und daraus wiederum entsteht Panik. Die Panik verstärkt die Angstgedanken und die Angstgedanken verstärken die Angst.
Ein Beispiel: Du hast plötzlich Herzrasen. In deinem Kopf entsteht eine Bewertung, die das Herzrasen als Gefahr einstuft. Daraus resultiert Angst. Die Angst wiederum verstärkt die körperlichen Symptome deiner Panikattacke und sorgt für noch mehr Stress. Dadurch wird erneut Herzrasen ausgelöst und der Kreislauf beginnt von vorn. Wenn dieser Prozess nicht aktiv unterbrochen wird, geht er ohne Gnade immer weiter, bis dein Leben nur noch von Angst bestimmt ist.
Es ist wichtig, diesen Kreislauf der Angst zu kennen und zu verinnerlichen. So gelingt es, sich in Situationen, in denen dich die Angst überkommt, zu verdeutlichen, an welcher Stelle des Kreislaufs man gerade steht und ihn dann mit geeigneten Methoden zu unterbrechen. Einige Tipps zur Hilfe im akuten Fall dazu findest du in meinem Artikel Wie du Panikattacken besiegen kannst.
Erwartungsangst – der Motor für Panikattacken

Im Zuge des Kreislaufs der Angst wird die Angst vor der nächsten Panikattacke immer präsenter. Die Gedanken kreisen mehr und mehr um die Panik. Diese sogenannte Erwartungsangst kann teilweise noch deutlich belastender sein als die Panikattacke selbst. Denn während die Panikattacke nach kurzer Zeit wieder verschwindet, ist die Erwartungsangst irgendwann wie ein lästiger Schatten, der dich immer begleitet. Sie hält Panikattacken sozusagen am Laufen.
Erwartungsangst zwingt uns regelrecht dazu, nach äußeren Auslösern für die Panikattacken zu suchen und diese dann zu vermeiden. So kann es beispielsweise passieren, dass du während einer Autofahrt eine Panikattacke bekommst und dein Geist im Anschluss das Autofahren mit Panik verknüpft. Nicht wenige Menschen vermeiden in der Folge Fahrten mit dem Auto wo immer es geht, weil sie weitere Panikattacken beim Autofahren befürchten. Diese Vermeidungsstrategien drängen uns jedoch immer mehr aus unserem gewohnten Leben und schränken uns ein. Sie dämmen auch nicht die Erwartungsangst ein – im Gegenteil, sie verstärken sie.
Der Weg ist das Ziel – mach nicht, was die Angst von dir will!

Um diesen Kreislauf zu unterbrechen, ist der wichtigste Tipp, den ich dir geben kann, nicht der Angst zu entsprechen. Egal, ob deine Angst dir erzählt, dass du besser nicht mehr Auto fährst oder ob sie dir suggeriert, du müsstest deinen Körper zu jeder Zeit im Auge behalten – mach das Gegenteil! Jedes Mal, wenn du dem Bedürfnis der Angst entsprichst, fütterst du sie. Sie wird dadurch größer und stärker und ist irgendwann nur noch schwer beherrschbar.
Bei einem meiner unzähligen Besuche in einer der verschiedenen Bochumer Notaufnahmen sagte mit eine Ärztin einmal, dass sie mir niemals die Sicherheit werde geben können, die ich suchte. Und sie lag goldrichtig. Selbst, wenn sie mich von Kopf bis Fuß durchgescannt hätte, hätte meine Angst Argumente gefunden, die ihre Existenzberechtigung hätte belegen sollen. Damals setze langsam das Verständnis ein, dass mein Problem eben genau deshalb kein organisches war, sondern, dass es wirklich eine Panikstörung war, die mich quälte. Und dennoch war es über viele Jahre eine immer neue Herausforderung für mich, entgegen meiner Angst zu handeln.
Hab Geduld
Was du sicherlich aus meinen Worten herauslesen kannst, ist, dass du Geduld brauchen wirst, um deine Panikattacken in den Griff zu bekommen. Aber du kannst es schaffen. Ich habe es geschafft und ich bin kein außergewöhnlicher Mensch. Es hat Arbeit, Energie und Zeit gekostet, aber heute kann ich sagen, dass ich schon sehr lange keine Panikattacke mehr hatte.
Wenn du gern eine individuelle Beratung zum Umgang mit deinen Panikattacken hättest, wende dich gern an mich. Schreib mir über mein Kontaktformular und wir vereinbaren einen Termin. Manchmal hakt es nur an einer kleinen Stellschraube, die wir vielleicht zu zweit festziehen können.